Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder die deutsche Leisetreterei

„Olivia, warum findet eigentlich so kurz vor der Wahl kein richtiger Wahlkampf statt?“ „Was meinst du mit richtigem Wahlkampf, Garfield?“ „Es gibt keine scharfe Debatte. Schulz greift Merkel nicht direkt an. Er sagt nicht, was sie falsch gemacht hat, sondern nur, was sie in Zukunft falsch machen könnte. Die Debatte gewänne doch an Schärfe, wenn er zum Beispiel zu Merkel sagte, Sie haben Europa kaputt gespart und zur Entzweiung der Mitglieder der Europäischen Union beigetragen, um nur mal ein Beispiel zu nennen.“ „Hm.“ „Die wirklich brenzligen Themen werden aus der Debatte einfach ausgeklammert.“ „Kommt mir bekannt vor. Probleme umgehen durch Totschweigen der Probleme. Deutsche Leisetreterei. Ruhe ist die erste Bürgerpflicht hieß es schon 1806 nach dem Debakel von Jena und Auerstädt. Man hat einen Haufen arabische Bürger im Land und einen Haufen Netzwerke, nicht nur in den Moscheen, die versuchen, diese zu radikalisieren. Das Problem ist groß, am besten, man redet nicht darüber. Und auch nicht darüber, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Mit der Armut im Land geht es ähnlich. Du hörst nichts mehr darüber, auch wenn 40 % der Bürger keine Rücklagen für die Zukunft haben. Das übrigens eine Studie von Fratzscher, der das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung leitet.“ „Stört es denn die Bürger nicht, dass nicht heftig debattiert wird?“ „Die Bürger bekommen Schlafpillen verabreicht.“ „Schlafpillen?“ „Sieben Monate vor der Wahl werden die Füllhörner ausgeschüttet. Ich hab selbst vom Geldsegen profitiert, muss ich zugeben. Wirfst du einem Löwen ein Stück Fleisch hin, frisst er es und legt sich zur Ruhe.“ „Den Deutschen scheint die Ruhe wichtiger zu sein als die Demokratie.“ „Ich hab den Verdacht, das war immer schon so. Die Deutschen haben deshalb auch keine Revolution hinbekommen wie die Franzosen. Wenn du nur an die Liberalen denkst, die die 1848er Revolution mitlosgetreten haben, das waren eigentlich Revolutionäre wider Willen; die fürchteten die anarchischen Volksbewegungen und wollten legale Wege beschreiten, nicht radikal mit der Vergangenheit brechen. Wollten also ihre Ruhe behalten.“ „Ich fürchte, es fehlt der Sinn für Demokratie.“ „Und dazu passt eine aktuelle und zukünftige Kanzlerin, die die wichtigsten Bürgerbelange im Alleingang entscheidet.“

Karikatur von Alfons von Boddien, 1848

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