Leseprobe aus dem Roman meiner Mutter:
Frust, Revolte und Normalität-Die Leiden des Lehrers Wolfgang Fink:
Kapitel XVII
Nach den üblichen Untersuchungen von Blut, Stuhl und Urin zu Anfang meines Aufenthalts bleibe ich ziemlich verschont von direkter ärztlicher Einflussnahme. Manchmal wenn der Kurarzt eine Pause macht in seinen Erörterungen über die vielfältige, nervenaufreibende Tätigkeit im Sanatorium, versuche ich auch ein Wort über mein Lehrerdasein einzuflechten. Ich schildere, wie schwierig es sei, sich im Schulmilieu zu behaupten, seine Autorität täglich von Neuem aufzubauen, seine Arbeit diensteifrig auszuüben, ohne je eine Anerkennung dafür zu erhalten, weder von den Schülern noch von den Eltern oder gar vom Direktor. Es werde alles für selbstverständlich gehalten, auch wenn man sich um jeden Schüler einzeln kümmert, man bekäme keinen Dank dafür. Eine Honorierung gäbe es in diesem Beruf nicht, nur Kritik und Missverständnis.
Der Arzt lächelt mitleidig. Er starrt versonnen vor sich hin auf den glänzenden Mahagonischreibtisch. Ob er sich einen Menschen vorstellen könne, der weder einen Schreibtisch noch einen eigenen Stuhl im Dienst sein Eigen nennen könne, der sozusagen zum fliegenden Personal gehöre, das nirgends und überall zu Hause ist? Sein Blick sagt, es ist deine Schuld und nicht meine, und was hat dies alles mit mir zu tun? Warum hast du dir keinen anderen Beruf gewählt?
Gefällt mir:
Like Wird geladen …