Mini Leseprobe 3 aus „Luna Park 2, Jahrmarkt der Gier“

Kapitel 29

Fressen, schlafen, raufen oder das Schicksal der Gierigen

Die Löwen setzten sich nah ans Käfiggitter. „Wir heißen Max und Melvin. Der König hat uns in Raubtiere verwandelt.“

Brauni hörte mit großen Augen zu und Schwabbelknien.

„Wir haben versucht, mit dem Verkauf von Versicherungen die Million zu verdienen. Dabei mussten wir Leute versichern, die gar keine Versicherungen brauchten, Leute, die kaum je die Versicherungsleistung in Anspruch nehmen würden. Und wir mussten Leute versichern, die sich gar keine Versicherung leisten konnten. Die größte Klientel waren die Armen aus „Luna Park Süd“. Ihnen mussten wir Rentenversicherungen aufschwatzen, die sie gar nicht bezahlen konnten. Sie bekamen sie dann auf Kredit. Und als sie die Kreditraten nicht mehr zahlen konnten, haben wir ihren Lohn auf Jahre hinaus gepfändet. Als das nicht genügend Geld brachte, sind wir ins Drogengeschäft eingestiegen. Wir verkauften Kokain an unsere reichen Freunde in „Luna Park Nord“. Die verschuldeten sich bei uns dann immer mehr und mussten uns schließlich ihre Geschäfte überlassen. Und so kamen wir beide ziemlich schnell zu der Million.“

„Ja, dann hattet ihr gewonnen … oder doch nicht?“, platzte Brauni heraus. Er wusste nicht mehr, was hier drinnen lief. Er war völlig konfus.

„Wir dachten, wir hätten gewonnen. Wir wollten mit aller Macht die Million verdienen und dann so schnell wie möglich wieder nach Hause. Wir hatten genug vom Geldverdienen. Das war ja ein alltäglicher Kampf, bei dem du ständig jemanden hereinlegen musstest. Der Norden war zwar reich, aber wenn du auch an Arme deine Produkte verkaufen musst, dann geht das nur, wenn du ihnen das Geld dafür leihst. Lange kann das natürlich nicht gut gehen. Das war uns aber egal. Wir wollten bloß gewinnen.“

„Und wieso seid ihr jetzt Löwen im Käfig?“, fragte Brauni verdattert.

„Der König hat uns angelogen. Du hast überhaupt nicht gewonnen, wenn du die Million verdient hast. Du bist in ein Raubtier verwandelt worden.“

Brauni stutzte.

„Der König hat uns erklärt, wenn wir uns schon im Geschäftsleben wie Raubtiere verhalten hätten, dann könnten wir auch mal die Erfahrung machen, echte Raubtiere zu sein. Und weißt du, wie das ist?“

„N-nein.“ Brauni war fix und fertig.

„Fressen, schlafen, raufen. Es wiederholt sich jeden Tag. Wenn wir gewusst hätten, was uns erwartet, hätten wir den Armen die Versicherungen geschenkt.“

„Oder gar nicht erst angeboten“, knurrte der andere Löwe.

„Sind die andern Raubtiere auch Menschen?“, fragte Brauni mit schwacher Stimme.

„Eine ganze Menge, ja.“

Brauni kratzte sich die Stirn. Er fühlte sich elend.

„Du hast die Käfigschlüssel. Du könntest uns rauslassen“, schlug der eine Löwe vor.

„Nein, tu es nicht. Wir würden dich zerfleischen. Wir haben den Instinkt von Löwen. Wir handeln blind. Wir haben nicht die Freiheit, eine Beute zu verschonen“, warnte der andere.

Dann war klar, dass er sie nicht rauslassen würde, dachte Brauni. Er war unendlich erleichtert, als endlich der Diener des Königs kam und ihn nach oben in seine Kammer führte, wo er zuerst ein Abendessen bekam und danach frische Kleidung für den nächsten Tag.

 Loewe_frontal1

 

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